Angst, richtige große Scheißangst
Daniel Weißbrodt
paddelt auch nachts 2400km
mit dem Kolibri von Regensburg ans Schwarze Meer
Mit Reiseberichten
verhält es sich so wie mit dem Überraschungsei: Man erwartet etwas richtig
Spannendes und ist dann am Ende oft ein wenig enttäuscht ob des Inhaltes, der den
Versprechungen auf der Verpackung nur selten gerecht wird. Wenn hingegen ein
Germanist in einem alten DDR-Faltboot viele Wochen lang auf der Donau bis zum
Schwarzen Meer paddelt und dabei zehn Länder streift, die oft als „gefährlich“
eingestuft werden (womit nicht ausschließlich Österreich gemeint ist), darf man
neben vielen interessanten Geschichten und kauzigen Menschen auch große
Literatur erwarten. Die dieses Buch leider nicht birgt. Hat man indes weniger hohe
Ansprüche und lässt sich einfach von Weißbrodts detailverliebten Schilderungen
dieses echten Abenteuers treiben wie der Autor sein Boot auf dem Fluss, kann
man quasi als Sozius auf dem freien Sitz Platz nehmen und alles hautnah
miterleben. Dann spürt man die heiße Sonne auf dem Bauch brennen, empfindet die
quälenden Schmerzen am Hintern ebenso wie diese Scheißangst auf dem nächtlichen
Strom und genießt die verschiedensten Biersorten, die der Autor alle testet.
Was der nicht mehr
ganz so junge Autor hier völlig auf sich allein gestellt leistet, ist schon
bemerkenswert. Auch dessen Weigerung, Länder wie Serbien oder Rumänien als
gefährlich einzustufen oder dem Cliché von den stehlenden Roma Glauben zu
schenken, beeindruckt. Selbst als seine Packsäcke samt Inhalt und kurz darauf
sogar die gesamte Campingausrüstung verschwinden, verliert er kein schlechtes
Wort über die von der einheimischen Bevölkerung verachteten „Zigeuner“. Dass Nationalismus
leider in vielen Ecken der Welt zu finden ist, erfährt Weißbrodt etwa, wenn er
durch eine slowakische Brücke fährt, auf der ein Graffiti verkündet: „Die Ungarn sind Scheißkerle“.
Weißbrodts Donau-Bezwingung in drei Akten ist ein schönes Buch. Nicht
mehr aber auch nicht weniger. Es ist - Achtung Wortspiel: flüssig geschrieben,
klug beobachtet und doch ein wenig eintönig, genau wie so eine wochenlange
Paddelei auf einem riesigen Fluss eben. Doch auch wenn sich der täglich
wiederholende Ablauf von Anlegen, Einkaufen, Café oder Kneipe suchen, Zelt
aufbauen usw. den Leser hin und wieder nervt: Der Rezensent hat Lust auf Wasser
bekommen und sein Faltboot startklar gemacht. Es muss ja nicht gleich bis zum
Schwarzen Meer gehen, Neuseenland ist auch schön. Nur nicht so weit entfernt.
Daniel Weißbrodt: Regensburg am Schwarzen Meer: 2400 Kilometer
auf der Donau. Leipzig: Engelsdorfer Verlag. 312 S., 14,80 €