Es gibt Tage, da ist der Rezensent aufrichtig froh darüber,
mit dieser Tätigkeit nicht sein Geld verdienen zu müssen. Er hat schließlich
schon genug Zeit verschwendet, als er diesen laut Reich-Ranicki „poetischen
Roman, in dem die Erotik im Mittelpunkt steht“ in den vergangenen Tagen las.
Immer hoffend, dass der große Marcel doch noch Recht behalten würde. Mit
Verlaub, aber entweder hat der Verlag dieses Zitat auf das falsche Buch
gedruckt oder aber dem alten Mann sind zwei kurze, flüchtige Begegnungen
zwischen Mann und Frau mittlerweile Grund genug für diese irreführende
Behauptung. Lasst Euch dies erneut zur Warnung gedeihen, NIEMALS ein Buch zu
kaufen, weil der Klappentext Spannendes, Lustiges oder Erotisches suggeriert
und Euch zum Kauf verführen will. Wer wirklich einen Roman lesen möchte, in dem
die Erotik im Mittelpunkt steht, muss sich noch ein wenig gedulden, bis der
Rezensent die Seiten gewechselt und zu Papier gebracht hat, was derzeit noch in
seinem Kopf am Entstehen ist.
Doch zurück zu „Rituale“. Ein recht sympathischer, ziemlich
fauler Holländer (Eigentlich wusste er
mit Sicherheit, dass er nicht nur niemals etwas werden wollte, sondern auch
niemals etwas werden würde“) mit namibischen Wurzeln schleicht hier durch
die 60er und 70er Jahre. Dabei begegnet er einer skurrilen Tante, die ihn mit
einem noch seltsameren Einzelgänger bekannt macht, der schelmischen
Hausangestellten Petra (kurzes Techtelmächtel) und schließlich noch dem seinem
Vater verblüffend ähnlichen Sohn des Einzelgängers, der der japanischen
Teetrink-Kultur so verfallen ist, dass er es einigen alten Zen Meistern
gleichtut und sich nach dem rituellen gemeinsamen Teetrinken das Leben nimmt.
Wer sich für alte Teeschalen interessiert und die damit verbundenen Rituale,
mag dieses Buch also gern zur Hand nehmen und die letzten Kapitel lesen. Allen
anderen rufe ich zu: Last die Hände davon!
Gut, einige schöne Sätze hat Neeteboom schon hervorgebracht,
doch wären diese in einem spannenderen, interessanteren Buch viel besser zur
Geltung gekommen:
„In diesem Jahr, von dem hier die Rede ist,
brach eines Tages plötzlich der November an“. Wie schön! Diese Beobachtung
wäre mir so niemals von den Fingern gegangen.
Auch „In den
Schaufenstern sah er den flüchtigen Widerschein dessen, was sich wie Glück
ausnahm. Älterer Herr auf Damenrad, hinten auf dem Gepäckträger Mädchen in
Jeans und mit weißen Turnschuhen“. lässt das Potential erahnen, von dem
Reich-Ranicki schwärmt. Und wenn der Protagonist von den “atemberaubend kleinen slips, weiß und hellblau“ des ihn
verführenden Mädchens begeistert ist, kann man als Mann im gleichen Alter schon
ein wenig feuchte Augen bekommen.
Ich glaube schon, dass Cees Noteboom ein großer
Schriftsteller ist bzw. werden wird, das beweisen einige hervorragende
Gedanken, nur fügen diese sich hier leider nicht zu einer irgendwie
lesenswerten Story zusammen: „Mein Gott,
was gibt es doch für mannigfaltige Verfahrensweisen zur Behandlung von
Tierleichen! Geräuchert, gekocht, gebraten, geliert, blutrot, schwarzweiß
gepökelt, marmoriert, gepresst, zermahlen und zerschnitten war der Tod… zur
Schau gestellt“.
Oder, um dann doch noch mal zu meinem und Reich-Ranickis
Lieblingsthema zurück zu kommen: „Wenn
die Welt ein Rätsel war, dann waren die Frauen die Kraft, die dieses
pulsierende Rätsel in Gang hielt, sie, nur sie allein hatten Zutritt zu diesem
Rätsel…alle Frauen waren ein Mittel, das dazu diente, in die Nähe, in den
Ausstrahlungsbereich dieses Geheimnisses zu kommen, über das sie, nicht aber
die Männer walteten“.
Um an dieser Stelle hingegen nicht doch noch den Eindruck zu
erwecken, als hätte die negative Einleitung nur den einen Sinn, nämlich den
Leser in die Irre zu führen, sei hier noch ein Zitat aufgeführt, was wohl den
letzten Unentschiedenen abschrecken wird, es sei denn, er ist Doktor der
Philosophie und findet in diesem Satz endlich die Wahrheit, die er so lange
vergeblich suchte:
„Ich sage, Gott muss
sehr ich und ich muss sehr Gott sein, so verzehrend eins, dass dieser ER und
dieses ICH ein einziges Ist sind und in dieser Istigkeit ewig an ein und
demselben Werk schaffen. So lange aber dieser Er und dieses Ich, das heißt Gott
und die Seele, nicht ein einziges Hier und ein einziges Jetzt sein können, kann
das Ich nicht gemeinsam schaffen oder eins sein mit dem Er.
Aha!
Tut mir leid ich kann dir den Satz nicht erklären obwohl ich auch so eine verworrene Denkweise habe. Ich hoffe trotzdem als deine Nichte auf ein Freiexemplar =)
AntwortenLöschenAnna
Wenn Du es nicht wenigstens versuchst gibts auch kein Freiexemplar. Ist sowieso nichts für Dich. Noch nicht... Aber es wird ja auch noch eine Weile dauern, bis ich ihn Dir überhaupt geben könnte. Vielleicht bist Du dann so weit ;-)
LöschenAber trotz einiger Verwirrung durch die Zitate ein Kompliment an die Rezension und das durchhalten beim Lesen =)
AntwortenLöschenAnna
Ich würde behaupten: Finde zu dir selbst und zu Gott, dann bist du eins mit dir und deiner Welt... oder so ähnlich :-)
AntwortenLöschenDas gefällt mir. Sagst Du mir nun noch, wie ich zu mir selbst finde???
LöschenDu müßtest mit Gott und deiner Seele verschmelzen und zusammen an der Istigkeit werkeln....Könntest du das???
AntwortenLöschenOh, das klingt hochtrabend. Könnte man vielleicht einfach sagen: Den Augenblick genießen, froh zu sein über das, was man besitzt (und hier gibt es ja weit mehr als nur materielle Dinge) und von Gott bekommen hat?
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