Ja, dieser Mann kann schreiben! Insbesondere über die Liebe und das Leben.
Und das interessiert uns ja wohl alle! Ein lustiger Zufall wollte es, dass ich
beim Ausleih dieses schönen kleinen Büchleins eine Bekannte traf, die selbiges
als Hörbuchausgabe in den Händen hielt. Auf meine neckische Frage, wieso sie
sich als Mutter von 4 Kindern für die Liebe und das mit ihr verbundene
Durcheinander interessiere, antwortete sie (meines Erachtens wahrheitsgemäß),
dass sie es lediglich für ihre Tochter ausleihe, da sie doch über solcherlei
Themen hinweg sei… Dieses kluge und sehr schön zu lesende Werk ist meines
Erachtens jedoch nicht nur für 14-Jährige Pubertierende sondern für jegliche
Altersgruppen geeignet, weshalb ich es allen Lesern wärmstens ans Herz lege.
Denn man kann durch die Sichtweise des von der Uno und einem Ölkonzern nach
Paris eingeladenen Inuk (Heißt es nicht Inuit? Dachte ich auch. Aber ein
einzelner dieser Volksgruppe wird nun mal mit diesem hier benutzten Wort
beschrieben) allerhand über die westliche Kultur und insbesondere über den
hiesigen Umgang zwischen Männlein und Weiblein erfahren. Natürlich lernen wir
auch, wie es bei diesem Naturvolk zugeht, was sicherlich interessant aber nicht
das Hauptanliegen des vorliegenden Werkes ist. Viel spannender ist der Blick
auf uns selbst, der uns durch Uli, so heißt der kräftige, große und schöne
junge Mann, offenbart wird.
Wem Lelords vorangegangene und im gleichen Blog besprochene Bücher mit
Hektor als Protagonisten und Erzähler gefallen haben, der wird auch seine
Freude am „Durcheinanderland der Liebe“ haben. Der Schreibstil ist recht
ähnlich, die Themen sind es gleichermaßen und man ist immer wieder erstaunt
darüber, wie einfach der Autor die großen Themen unserer Zeit in einfache Sätze
verpackt, wobei er sowohl Fragen aufwirft als auch Antworten zu geben versucht.
Hektor und Ulik verbindet, dass sie beide sehr genügsame und freundliche
Menschen sind, die keinerlei Schwierigkeiten haben, Gesprächs- (und Liebes-)
Partner zu finden. In den Dialogen mit diesen Menschen werden dann diese Fragen
wunderbar einfach formuliert und allgemeingültige Beobachtungen zum Ausdruck
gebracht.
Neben der prägnanten Art und Weise, schwierige Sachverhalte in einfachen
Worten auszudrücken, vermag es Lelord, uns mit sehr schönen Bildern zu
verzücken und mit diesen Vergleichen aus der Welt der Inuit bestimmte Probleme
oder Fragestellungen aus der westlichen Welt anschaulich darzustellen. So
schreibt er beispielsweise, als es um die Frage des besten Zeitpunktes für
Uliks Rückreise geht: Diese sei „…wie der
Kamm eines Gletschers, von dem man zu spät bemerkt, dass man ihn nicht
überqueren kann, und das, wo der Tag schon zu weit fortgeschritten ist, um noch
den Rückweg anzutreten.“
Ulik, der zum ersten Mal außerhalb seiner ihm bekannten Kultur zurechtkommen
muss (die in gewisser Weise mit der unsrigen vergleichbar ist, wie sie bis zum
Beginn der Industrialisierung hier vorzufinden war), findet schnell heraus: „dass das Leben eines Mannes ganz schön
kompliziert war im Land der Kablunak“ (also der Weißen). Diese Feststellung
trifft er, nachdem der Glückliche innerhalb kürzester Zeit intime Bekanntschaft
mit mehreren hinreißenden Frauen gemacht hat, was natürlich nicht ohne
Komplikationen für seine und die Gefühlswelt der Betroffenen bleiben konnte,
und er untermauert sie mit eigenen Gedanken wie diesem: „Sie schien jedes Mal glücklich zu sein, wenn er selbst glücklich war.
Das ist Liebe, dachte er plötzlich und es war für ihn ein kleiner Schock.“
Süß aber auch irgendwie nachdenklich stimmend ist auch die Erkenntnis von
Ulik hinsichtlich der westlichen Frau (die sicherlich in ähnlicher Weise auch auf
deren männliches Pendant anwendbar ist), welche „Mann um Mann kennenlernen musste, bis sie endlich den ‚richtigen‘
gefunden hatte. Und was machte sie, wenn sie nach dem vierten plötzlich merkte,
dass eigentlich schon der erste der ‚richtige‘ gewesen war?“
Obwohl die Liebe und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern im
Vordergrund dieses Buches stehen, wird während einer Diskussion mit den
Mitarbeitern der Erdölfördergesellschaft ein weiteres sehr interessantes Thema
angesprochen und Ulik wird zu den Traditionen seines Volkes hinsichtlich der
Jagd befragt. Die ursprüngliche Absicht des Firmenchefs war, seinen
Mitarbeitern zu vermitteln, wie wichtig Teamwork sei und dass alle davon
profitieren würden. Doch geht dieser Schuss eindeutig nach hinten los, nachdem
ein Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft die Frage nach der Aufteilung der
Jagdbeute stellt. Ein wenig naiv antwortet Ulik vollkommen unbefangen, dass
diese bei den Inuit immer nach der der Anzahl der Kinder, die in einer Familie
leben, aufgeteilt wird und nicht vom Können und dem Erfolg des jeweiligen
Jägers abhängt. Dass der Vorstandsvorsitzende und seine kleineren Häuptlinge es
gar nicht lustig finden, als der Untergebene erneut ansetzt und sich
rückversichert, in dem er fragt, ob es vorstellbar wäre, dass der beste Jäger
hundertmal mehr bekommt als ein normaler Jäger, ist sicherlich
nachzuvollziehen, denn Ulik antwortet wahrheitsgemäß, dass durch solch eine
Handlungsweise lediglich Hass entstünde und das Zusammenleben unmöglich wäre.
Aber wir wissen ja alle, dass eine Firma keine Familie ist und dass der Versuch
des Kommunismus, wie er augenscheinlich in dem kleinen Inuit-Dorf noch herrschte, bereits großflächig und bravourös
gescheitert ist.
Auch wenn wohl keiner von uns Lesern sich wünscht, in solch einem kalten
Land zu leben wie Ulik, wo man sich ständig mit einer dicken Kleidungsschicht
einhüllen muss und Liebe nur im Dunklen unter einer dicken Decke im Kreise
seiner schlafenden Familie vollzieht, so kann man zumindest im Ansatz einen
Vorteil solch einer Lebensweise nachvollziehen: Hier bei uns ist es schon
manchmal ein wenig verwirrend, betörend und gegebenenfalls sogar verunsichernd
für uns Männer, im Sommer die vielen Frauen mit kurzen Sommerkleidchen ihre
hübschen Körper zur Schau stellen zu sehen, und so können viele von uns Uliks
Frage sicherlich sehr gut mit einem Seufzen nachvollziehen: „Wie sollte man sich bei all diesen
ungebundenen Frauen mit einer einzigen begnügen, wie konnte man jener treu
bleiben, die einem gehörte?“ Und so
fragt sich Ulik weiterhin, während er die herrlichen Beine seiner Pariser
Freundin, die einen wunderbar kurzen Rock trägt, bewundert: „Warum mussten sich die Frauen hier in Paris ausgerechnet immer das
anziehen, womit sie die Männer am meisten durcheinanderbringen konnten? Und
welches Ziel mochten sie damit verfolgen, wo sie doch gelernt hatten, ohne Mann
auszukommen? Ihr Körper scheint etwas anderes zu sagen als ihr Verstand…“
Doch natürlich geht es dem von fast allen französischen Frauen geliebten
und begehrten Naturburschen so, wie den hier lebenden Männern, die immer wieder
resigniert feststellen dürfen: „…immer hatten die Kablunak Frauen einem
etwas vorzuwerfen! Man trank zu viel, man schaute zu viel fern. Kablunak-Frauen
waren sehr raffiniert in ihrer Kleiderwahl, aber sehr wenig raffiniert in ihrer
Art, einen Mann zu kritisieren.“
Während eines Meinungsaustausches mit seinem Freund Thibeaut, dem
Klavierspieler und Frauenversteher, in dem sich die Beiden bei Wein und Whiskey
darüber unterhalten, dass jede zweite Frau in Paris allein wohnt, was Ulik nun
überhaupt nicht verstehen kann (andererseits ungemein aufregend und
vielversprechend findet) lernt der Inuk: „Es
gibt Millionen Frauen wie sie. Nicht sexy genug, um einen Mann besonders zu
interessieren, aber ausreichend intelligent, um kompliziert zu sein.“ Sicherlich
kein von allen Leserinnen geteilter Standpunkt aber immerhin ein schöner
Versuch, dem allgegenwärtigen Singledasein auf die Schliche zu kommen. Dennoch
versucht Ulik herauszufinden, was der Grund dafür ist, dass in der westlichen
Welt so viele Ehen geschieden werden und weshalb so viele Menschen entweder
unglücklich zusammen- oder aber unglücklich allein leben. Er lernt während
seiner vielen Interviews, Fernsehauftritte und Diskussionen mit FreundInnen: „…dass man ein paar Frustrationen in Kauf
nehmen muss, wenn man möchte, dass eine Ehe hält.“ Ob es nun richtig ist,
dies zu tun oder lieber, wie es immer öfter der Fall ist, auf diese
Frustrationen zu verzichten und dafür die Einsamkeit in Kauf zu nehmen, kann er
nicht wirklich beantworten. Das muss ja auch ein Jeder und eine Jede für sich
selbst herausfinden. Dennoch spürt man immer wieder, dass Ulik sich selbst fragt,
welche Gesellschaftsform nun die bessere (für ihn) ist und ob er je wieder in
seinem dunklen, kalten Iglu glücklich sein könnte (obwohl dort doch die
bezaubernde und von ihm über Alles geliebte Navaranava auf ihn wartet). Der
Klavierlehrer bringt dann all diese Fragen, die doch so viele Menschen quälen,
auf einen Punkt, in dem er nüchtern (nicht im wirklichen Sinne sondern
sprachlich gesehen!) und mit einem Augenzwinkern feststellt: „Letztendlich haben sich die Beziehungen
zwischen Männern und Frauen in den vergangenen zweihundert Jahren mehr
verändert als in den hunderttausend Jahren davor; es ist also nicht
verwunderlich, wenn wir noch ein bisschen orientierungslos sind.“ Was soll
der Rezensent dem noch hinzufügen?
Sehr amüsant ;-).....und anscheinend werden die Männer auf der ganzen Welt von den Frauen verunsichert, egal ob kurzes Kleid oder dicke Jacke.Vielleicht besteht noch Hoffnung ;-)
AntwortenLöschenHoffnung? Worauf denn?
AntwortenLöschen