Da hat die Autorin mit ihrem ersten Roman aber wirklich
gleich einen Volltreffer gelandet! Glückwunsch! kann man da nur sagen und jedem
Verlag wünschen, solch eine Perle angeboten zu bekommen!
Im ersten Kapitel, dem Präludium, wird die letzte Stunde des
Wolfang Amadé Mozart beschrieben, welcher jedoch schon kurze Zeit nach dem
Abtauchen in die tiefe Dunkelheit in einem weichen Bett des Jahres 2006 wieder
erwacht. Da er keinerlei Schmerzen mehr verspürt, glaubt er sich im Himmel oder
zumindest einer Zwischenwelt, schließlich hat er sein Requiem nicht beenden
können. Weshalb er sich sofort ans Werk macht …
Was in den darauffolgenden Stunden, Tagen, Wochen und
Monaten (gegliedert in Kapitel, deren Überschriften denen der einzelnen Abschnitte
des Requiems entsprechen) mit dem armen Manne geschieht, ist wirklich sehr
nahegehend, teilweise komisch und immer aufs Äußerste sympathisch beschrieben.
Allein schon die herrlich antiquierte Sprache des aus einer
anderen Zeit kommenden Compositeur, dargeboten sowohl in Wort als auch in
Schrift (in Form mehrerer Liebesbriefe) ist die Lektüre Wert! Dessen Worte, oft
schelmisch oder auch scharfsinnig komponiert, befremden zwar die
Menschen, denen er begegnet, erfreuen aber das Herz des Lesers immer wieder: „Mir scheint indes, dass man sich des Geldes
noch immer nicht eher würdig erweist, als bis man das Unliebsamste und
Mühevollste verrichtet, wozu man imstande ist. Die Zeiten haben sich wahrlich
nicht geändert.“
Selbst wer der klassischen Musik bisher nicht viel
abgewinnen konnte, wird sich durch diese Lektüre gewiss gemüßigt sehen,
zumindest ein oder zwei bekannten Werken des begnadetsten Komponisten aller
Zeiten seine Aufwartung zu machen, womit dieser wunderschöne Roman auch gleich
noch eine wertvolle musikpädagogische Aufgabe erfüllt. Denn die Autorin
versteht es fabelhaft, den Leser in die Gedanken- und Gefühlswelt des Musikus
mitzunehmen, wenn sie beschreibt, wie dieser beim Komponieren denkt, beim
Spielen komponiert, beim Denken spielt, beim Lieben Musik fühlt und beim Musizieren
liebt. Alles ist für diesen Mann in Töne und Melodien verpackt und kann durch
Musik ausgedrückt werden. Als ihn eine französische Saxophonistin mit aufs
Hotelzimmer nimmt und auf ihrem Instrument spielt, während er sie entkleidet
starrt er „… sie an und fragte sich,
ob er je wieder ein cis würde denken können, ohne dieses Bild vor sich zu
sehen.“
Es ist in der Tat eine andere Welt, in der dieses Genie lebt,
und auch wenn manch wichtige Charaktereigenschaft bei ihm zwangsläufig zu kurz
kommt, was ihn sowohl in seinem ersten wie auch in dem hier beschriebenen
zweiten Leben oft in die Bredouille bringt, spürt man schon so etwas wie Neid
ob dieser ungeheuren Möglichkeiten, die unsereins nicht im Ansatz zur Verfügung
stehen. Wie sagte noch Wolfgangs polnischer Mitbewohner zu Czerny, dem Kellner
eines Wiener Jazz-Clubs (gut möglich, dass dem österreichischen Komponisten
gleichen Namens, der im Todesjahr Mozarts geboren wurde, hiermit Tribut gezollt
werden soll): „Aber immer wenn ich höre
Musik von Wolfgang, denke ich, ist er kleine Bruder von liebe Gott.“
Vieles fällt Wolfgang Mustermann, so nennt sich Mozart, seit
er diesen Namen auf einem Plakat sah, in der modernen Welt wirklich schwer. So
genießt er zwar die Blicke auf die enganliegenden Jeans der Damen, weil er so
deren Hinterteile ausgiebig bewundern kann, doch mit den kurzen Röcken hat er
so seine Schwierigkeiten. Ebenso wie mit seinem One Night Stand, schließlich
verliebt er sich Hals über Kopf in die Französin, und kann überhaupt nicht
verstehen, dass sie am Morgen abreist, ohne wenigstens eine Nachricht zu
hinterlassen. Er leidet wie ein Hund und gesteht nach drei Tagen mit nichts als
zwei Flaschen Wein allein im Liebesnest: „Musik,
Czerny, das ist die einzige Liebe, die dich niemalen verlässt!“ Oh lieber
Mozart, liebe Eva Baronsky, danke für diese lebensklugen, wenn auch so
melancholischen, wahren Worte!
Gott sei Dank erfährt dann auch Mozart dieses Wunder, dass
es immer wieder möglich macht, seine Blicke und Gefühle irgendwann wieder einem
anderen Menschen zuwenden zu können und so verliebt er sich schließlich in die
Frau, in deren Bett er am Anfang der Geschichte aufgewacht war (ohne sie damals
bereits zu Gesicht bekommen zu haben). Auch wenn die Geschichte hier für kurze
Zeit ein wenig an Fahrt verliert und an in dieser Art bereits schon mehrfach
Gelesenes erinnert, so wünscht man ihm dann doch, dass er endlich mit der Frau,
die er liebt wie seine Constanze (die er mit seinem Tod nahezu mittellos
hinterließ), zusammenkommt. Doch dauert es eine ganze Weile, bis Anju sich
endlich entschließen kann, trotz seiner diagnostizierten Amnesie, zu ihm zu
stehen. Der Kummer, den er nach einem einzigen, ausgefüllten Liebestag
empfindet, weil sie sich nach seinem Geständnis (ich bin Mozart!) von ihm
abwendet, findet in Worten Ausdruck, die wirklich berühren: „Er entschied, die Beharrlichkeit der Wehmut
auf die Probe zu stellen …“
Als schließlich der Musikprofessor Michaelis den
offensichtlich Geisteskranken am Todestag Mozarts in der Psychiatrie besucht,
glaubt dieser, der Erzengel Michael sei gekommen, um ihm zu befehlen, die
fehlenden Teile des Requiem niederzuschreiben, weil er erst nach dessen
Vollendung, auf die Gott und die ganze Welt dringlichst warten, die Erlösung
von allem irdischen Leiden erfahren könne. Also macht er sich an die Arbeit und
vollendet, was ihm 200 Jahre zuvor leider nicht vergönnt gewesen war.
Doch die Rezension eines solch bewegenden und
liebevoll-musikalischen Romans mit derart düsteren Gedanken an Ende und Tod abzuschließen,
verbietet sich, weshalb an dieser Stelle noch ein letztes Zitat gestattet sei,
welches die Natur des Werkes anschaulich zum Ausdruck zu bringen vermag: „Den Bösendorfer (ein Klavier des bekannten
Wiener Herstellers Bösendorf) berührte er
wie eine vertraute Geliebte, die sich ihm schon einmal willig hingegeben hatte
und nun mit weiteren Verheißungen lockte.“ Wohl an …!
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