Nachdem ich nun vor einigen Monaten Hemingway in dem wunderbaren Film „Midnight in Paris“ kennenlernen durfte, wollte ich unbedingt eines seiner berühmten Werke lesen, da er mich dort stark beeindruckt hatte. Doch obwohl er im vorliegenden Buch, in dem er sein Leben im Paris der 20er Jahre beschreibt, als er anfing eigene Geschichten zu schreiben, Einiges von sich und seiner Gedankenwelt preis gibt, so habe ich mich dennoch lange an dieser Lektüre herumgequält und die letzten Seiten dann überblättert, nur um endlich fertig zu werden. Was im Übrigen so gar nicht meine Art ist.
Ich bin sicher, dass es kein schlechtes Buch ist (wie könnte es auch, wo es doch nicht nur von Ernest Hemingway himself geschrieben wurde sondern auch noch von seinem Leben berichtet!). Dennoch ist es wohl zu aller erst eingefleischten Hemingway-Fans, Pariskennern oder Literaturhistorikern zu empfehlen (die es sowieso bereits verschlungen haben dürften). Doch welchen Normalsterblichen interessiert schon, welche Teile des Werkes nachträglich mit aufgenommen wurden, obwohl „Hem“ das gar nicht vorhatte, welche von ihm selbst wieder gestrichen wurden oder wie sie in einer anderen Version aussahen, was durch Fußnoten und im umfangreichen Anhang immer wieder präzise erläutert wird.
Sicher, man lernt über Ernest Hemingway und die Künstler seiner Zeit, dass sie schon frühmorgens in einem ihrer Pariser Lieblingscafes Wein tranken, beim Pferderennen das Geld verwetteten, das sie lieber für Feuerholz hätten ausgeben sollen, ja, sogar, dass schon vor knapp hundert Jahren Doping ein probates Mittel war, um das Rennen zu seinen Gunsten zu entscheiden (falls man dem Pferd nicht aus Versehen ein wenig zu viel Aufputschmittel verabreicht hatte und es dem Reiter deshalb auch mal durchging). Man trifft auf viele Persönlichkeiten mit den Namen Gertrude Stein, Scott Fitzgerald, Ezra Pound, James Joyce und lernt deren Eigenheiten näher kennen. Jedoch bin ich sicher, dass dieses Werk völlig unbeachtet geblieben und höchstwahrscheinlich noch nicht einmal verlegt worden wäre, würde hierin ein unbekannter Vorfahre meiner selbst von seinen Pariser Jugendjahren erzählen. Doch lassen wir den Konjunktiv beiseite und widmen uns den interessanten Stellen der Hemingway-Selbst-Frühbiographie.
Ironischerweise handelt die in meinen Augen spannendste Erzählung nicht in Paris sondern im österreichischen Vorarlberg, wo Hemingway einige Winter zusammen mit seiner ersten Frau Hedley verbrachte. Hier wird sehr detailliert erzählt, welch Mühen aber auch welche heute kaum noch denkbaren Freuden man am Anfang des letzten Jahrhunderts beim Skilaufen erdulden musste bzw. empfinden konnte, als man sich noch nicht von lautlosen Gondeln auf die Berggipfel befördern lies um dann die glatt gewalzte Piste hinunter zu rasen. Stattdessen war mühsames Aufsteigen, teilweise über mehrere Tage und über Gletscherspalten hinweg angesagt, worauf dann Tiefschneefahrten in jungfräulichem (aber höchst gefährlichem) Terrain als Belohnung für Körper und Seele auf die Mutigen und auf die Törichten warteten.
Sicher: Derjenige, dem das heutige Paris näher und lieber ist als mir, wird sich immer wieder glücklich schätzen, dass schon der berühmte Ernest Hemingway die gleichen Ecken der Stadt liebte, wenn er sie während der Lektüre bei einer der zahllosen Erwähnungen von Straßen, Stadtvierteln und Cafes wiedererkennt. Ich hingegen musste bei Sätzen wie: „… im Stade Anastasie in der rue Pelleporte auf dem Ménlimontant, dem nächsten finsteren Pariser Hügel rechts an den Buttes Chaumonts vorbei, wenn man in der Mitte des Schlachthausviertels steht und Richtung Porte de la Vilttette blickt. Oder einfacher, es war die vorletzte Station der Metro-Linie von der Porte des Lilas kurz vor dem Wasserspeicher von Ménlimontant. „ nur gelangweilt gähnen, was sicher nicht Hem’s Schuld, jedoch meiner Weiterempfehlungsbereitschaft eher unzuträglich ist.
Gut, es gibt Entschädigungen für solche unzumutbaren Ergüsse, wie z.B. dieser herrlich sarkastische Dialog mit einem verkappten Schriftsteller, dem Hemingway erst empfiehlt, sich aufzuhängen um später dann doch einzulenken, als er ihm den Rat zu gibt, Kritiker zu werden und Rezensionen zu verfassen, wenn er nun mal nicht selber schreiben könne. Literaturkritiker scheint Hemingway nicht unbedingt sehr lieb gehabt zu haben, andererseits bringt er ihnen auch eine gewisse Achtung entgegen: „Nicht einfach ist es auch – aber den Privatdetektiven der Literaturkritik fast immer möglich -, den Beweis zu führen, dass der Verfasser von Geschichten in der ersten Person unmöglich all das oder auch nur irgendetwas von dem getan haben kann, was der Erzähler getan hat“
Und zweifelsohne kann man diesem Werk einige allgemeingültige Lebensweisheiten entnehmen. Beispiele gefällig? „Man sagt, die Keime dessen, was wir einmal tun werden, sind in allen von uns, aber mir schien immer so, dass die Keime von denen, die mit Humor durchs Leben gehen, mit besserer Erde und stärkerem Dünger bedeckt sind.“ Oder: „… sie verziehen es uns, dass wir verliebt und verheiratet waren – dem würde die Zeit schon abhelfen.“ Im Übrigen war Hemingway selbst viermal verheiratet. Wie oft er wohl verliebt gewesen ist?
Angehende Schriftsteller finden dann noch ein paar wirklich gute Ratschläge, welche ich gierig aufsog. Einen davon möchte ich an dieser Stelle kurz wiedergeben: „Ich hatte bereits gelernt, den Brunnen meines Schreibens nie zu erschöpfen, sondern stets aufzuhören, wenn im tiefen Teil des Brunnens noch etwas übrig war, und ihn über Nacht von den Quellen, die ihn speisten, wieder füllen zu lassen“
Da es schon nach Mitternacht ist, werde ich diese Anweisung gern befolgen und an dieser Stelle aufhören, um mir das nächste, hoffentlich wieder richtig fesselnde Buch zur Hand zu nehmen.
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