Die im neuseeländischen Christchurch lebende deutsche
Journalistin Anke Richter hat in diesem amüsanten und lehrreichen Buch ihre
TAZ-Kolumnen zusammengestellt, die sich wirklich sehen lassen können. Natürlich
sind die Geschichten, die einen sehr tiefen Blick in die Seele der Kiwis - aber auch in die der Auswanderin – werfen,
insbesondere für Neuseelandfreaks und Weltenbummler gedacht. Aber auch der
normale Durchschnittsdeutsche oder die Träumerin, die ihr Leben lang davon
phantasiert, ans andere Ende der Welt umzusiedeln, kommen auf ihre Kosten und
erhalten kluge Einsichten in eine Kultur, die unserer zwar in Vielem ähnelt,
sich aber auch oft sehr stark vom Deutschen unterscheidet.
Hätte der Rezensent diese als Erklärung und Warnung vor
mancher Kultur-Falle zu verstehenden Texte doch nur vor seinem Neuseeland-Jahr studiert! Dann hätte er dort nicht
täglich erneut den Fehler begangen, auf die sich wie ein Mantra wiederholende
Frage nach seinem Befinden (How are you?) höflich zu einem
längeren Monolog über die Gesamtsituation der Familie und deren Unternehmungen
der letzten Tage auszuholen. Und er wäre dann auch nicht immer wieder über das gelangweilte
Gesicht des Fragestellers verwundert gewesen, der lediglich ein knappes,
gelogenes „fine“ erwartet hatte.
Faszinierend an den Einsichten und Gedanken Richters ist
insbesondere die Tatsache, wie ehrlich sie davon berichtet, sich oft für ihr
Deutschsein zu schämen und warum sie vermeidet, sich vor Landsleuten zu erkennen
zu geben. Und wie sie dann doch den Kontakt zu den vor Ort lebenden Germanen
sucht. All dies erinnert an die gleichen Gefühle, Gedanken und Handlungen, die
den Rezensenten während seiner Zeit in Auckland befielen. Eigentlich will man
mit den peinlichen und meckernden Deutschen so überhaupt nichts zu tun haben.
Doch nach einer Weile weiß man deren Verlässlichkeit und Backkünste dann doch
wieder zu schätzen und lästert gemeinsam über die eigentümlichen Kiwis mit
ihren Themenparties und seltsam unfestlichen Weihnachtsumzügen.
Richters durch die deutsche Brille gefilterte Einblicke in
die neuseeländische Gesellschaft sind oft urkomisch und immer grundehrlich,
auch wenn dem Leser manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt. Etwa beim
Bericht über eine Gegendemonstration zu einem kleinen Naziaufmarsch, von dem
sie berichtet, dass auch ein Maori auf der Seite der Rechten steht. Richters
verblüffter, schwarzhumoriger Kommentar: „Ich
glaube, hier sind selbst die Neonazis bikulturell.“
Doch wenn die Ausgewanderte dann über eine neuseeländische
Single-Party auf dem Lande berichtet, entfernt sie sich zum Glück schnell
wieder von den deutschen Eigenschaften des Hinterfragens und der alles bestimmenden Ernsthaftigkeit und berichtet von den Erfahrungen
einer Freundin, die das Experiment eines Dialogs mit den teils gut aussehenden
Landeiern bereits unternommen hatte: „…versuch
mal eine Konversation mit denen. Dagegen kommt dir Kaspar Hauser wie Goethe in
Höchstform vor. Und falls sie den Mund aufkriegen, ist ihr größtes Kompliment: ‚Nice
tits’“. Begründet wird die seltsam unmodern anmutende Verklemmtheit der
Kiwis mit deren prüder Erziehung. Diese dürfte letztendlich auch am hemmungslose Verhalten der Vertreter
beider Geschlechter Schuld sein, das diese an den Tag legen, wenn der Damm erst einmal gebrochen ist. Da
kann auch die an die deutsche Freizügigkeit gewohnte Autorin nur noch
schulterzuckend konstatieren: „Auch ich
habe eine Schamgrenze“, wenn die übriggebliebenen Partiegäste sich zum „Resteficken“ an den dunklen Strand
aufmachen.
Und auch für einen kleinen Einblick in die Maori-Kultur
eignet sich diese Kolumnen-Sammlung hervorragend. Richter berichtet von einem
sogenannten Marae, einem Einführungskurs in die Kultur der Ureinwohner, den sie
zusammen mit einigen gelangweilten Studenten und ihrer übereifrigen deutschen
Freundin Eva besucht. Diese wird im Verlaufe des mehrtägigen Kurses so stark
vom Maori-Virus infiziert, dass sie sich vor versammelter Mannschaft begeistert
den Namen ‚Aroha’ gibt. Das bedeutet Liebe und dient dazu, :“das Unrecht der Kolonialisierung gutzumachen“ .Wenn sich Eva
damit mal nicht zu viel vorgenommen hat! Wahrscheinlich brauchte sie nur
endlich mal einen Gegenpol zu ihrem Ehemann, dem Mäckerbäcker, und fühlte unter
den Maoris das erste Mal, dass sie nach vielen, langen Monaten endlich nun in Neuseeland
angekommen war.
‚Was scheren mich die Schafe’ ist sicherlich kein Buch, das man in einem Stück verschlingt, weil man unbedingt wissen will, wie die Handlung fortschreitet. Es ist ja auch kein Roman. Aber es ist die ideale Urlaubsvorbereitung bzw. Urlaubslektüre. Nicht nur für Menschen, die sich ins Land der großen weißen Wolke sehnen oder Aotearoa bereits kennen lernen durften, sondern für alle, die den trockenen Humor der Autorin sowie die lässige Art der surfenden und beneidenswert entspannten Kiwis zu schätzen wissen.
‚Was scheren mich die Schafe’ ist sicherlich kein Buch, das man in einem Stück verschlingt, weil man unbedingt wissen will, wie die Handlung fortschreitet. Es ist ja auch kein Roman. Aber es ist die ideale Urlaubsvorbereitung bzw. Urlaubslektüre. Nicht nur für Menschen, die sich ins Land der großen weißen Wolke sehnen oder Aotearoa bereits kennen lernen durften, sondern für alle, die den trockenen Humor der Autorin sowie die lässige Art der surfenden und beneidenswert entspannten Kiwis zu schätzen wissen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen