Ich sah, was ich sah!
In Pol Pots Lächeln wird Georges Orwells „1984“ zur
Realität
Da reisen im Jahr 1978 vier
schwedische Linksintellektuelle durch das unter Pol Pot so genannte „Demokratische
Kampuchea“, das damals völlig abgeriegelt war, und sehen überhaupt nichts vom
allseits gegenwärtigen Massenmord. Wie verblendet kann man nur sein?, könnte
man fragen. Oder man könnte sich auf die Spur der vier Schweden machen, sie zu
ihren Erlebnissen befragen, Zeitzeugen treffen, Bibliotheken durchforsten sowie
die Vorgeschichte der Reise und des Landes beleuchten. Und eben das hat Peter
Fröberg Idling getan. Herausgekommen ist ein überaus kluges, akribisch
recherchiertes und einfühlsames Buch voller Hintergrundinformationen zur
damaligen Situation.
Hier wird nichts schöngeredet
oder verharmlost. Der Autor ergründet die Sichtweise der Linken auf dem
Höhepunkt des Kalten Krieges und bringt die Revolution in Kambodscha in einen
Zusammenhang mit der Weltgeschichte.
Heute sind uns die brutalen
Methoden Pol Pots bekannt. Wir wissen, dass „Die Organisation“ den Platz von
Familie, Monarchie und Religion einnahm, alle Städte räumte, kleine Kinder von
ihren Eltern trennte und dass Folter und Hinrichtungen zum System gehörten.
Aber damals standen vor dem Hintergrund flächendeckender Bombardements der USA mit
unzähligen Opfern und einer anschließenden Phase von Korruption und Zerfall vor
ihrer Revolution 1975 die Roten Khmer eben nicht für Völkermord und Barbarei
sondern für Moderne und Freiheit.
Dennoch: Wie gelang es, die schwedische
Delegation so zu täuschen, dass diese anschließend alle Schreckensmeldungen von
Geflüchteten in Zweifel zog und ein überaus optimistisches Bild über die Lage
im Land verbreitete?
Diese Frage zu beantworten
ist das Hauptanliegen des Autors, der sich mühsam aber zielstrebig einer
Erklärung annähert und anhand von konkreten Beispielen tiefsinnig analysiert,
warum selbst die höchsten Führer mit Potemkinschen Dörfern getäuscht wurden,
wenn sie durchs Land reisten - und was die Statisten erwartete, sollte deren
Vorstellung nicht glaubwürdig sein.
So verurteilt Idling die Schweden
auch nicht, vielmehr fragt er, was künftige Generationen uns einmal vorwerfen
werden, wenn sie uns Zeitungsmelden von Heute vorlegen, in denen täglich von
Hunger, Krieg und Ungerechtigkeiten berichtet wird: „Aber hier steht doch
alles, wie könnt ihr denn sagen, dass ihr es nicht verstanden habt?“
Peter Fröberg
Idling: Pol Pots Lächeln: Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten
Khmer. Aus dem Schwedischen von Andrea Fredriksson-Zederbauer. Frankfurt am
Main: Edition Büchergilde. 351 S., 22,95€
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