Mittwoch, 27. März 2013

Regensburg am Schwarzen Meer: 2400 Kilometer auf der Donau- Daniel Weißbrodt



Angst, richtige große Scheißangst

Daniel Weißbrodt paddelt auch nachts 2400km mit dem Kolibri von Regensburg ans Schwarze Meer

Mit Reiseberichten verhält es sich so wie mit dem Überraschungsei: Man erwartet etwas richtig Spannendes und ist dann am Ende oft ein wenig enttäuscht ob des Inhaltes, der den Versprechungen auf der Verpackung nur selten gerecht wird. Wenn hingegen ein Germanist in einem alten DDR-Faltboot viele Wochen lang auf der Donau bis zum Schwarzen Meer paddelt und dabei zehn Länder streift, die oft als „gefährlich“ eingestuft werden (womit nicht ausschließlich Österreich gemeint ist), darf man neben vielen interessanten Geschichten und kauzigen Menschen auch große Literatur erwarten. Die dieses Buch leider nicht birgt. Hat man indes weniger hohe Ansprüche und lässt sich einfach von Weißbrodts detailverliebten Schilderungen dieses echten Abenteuers treiben wie der Autor sein Boot auf dem Fluss, kann man quasi als Sozius auf dem freien Sitz Platz nehmen und alles hautnah miterleben. Dann spürt man die heiße Sonne auf dem Bauch brennen, empfindet die quälenden Schmerzen am Hintern ebenso wie diese Scheißangst auf dem nächtlichen Strom und genießt die verschiedensten Biersorten, die der Autor alle testet.
Was der nicht mehr ganz so junge Autor hier völlig auf sich allein gestellt leistet, ist schon bemerkenswert. Auch dessen Weigerung, Länder wie Serbien oder Rumänien als gefährlich einzustufen oder dem Cliché von den stehlenden Roma Glauben zu schenken, beeindruckt. Selbst als seine Packsäcke samt Inhalt und kurz darauf sogar die gesamte Campingausrüstung verschwinden, verliert er kein schlechtes Wort über die von der einheimischen Bevölkerung verachteten „Zigeuner“. Dass Nationalismus leider in vielen Ecken der Welt zu finden ist, erfährt Weißbrodt etwa, wenn er durch eine slowakische Brücke fährt, auf der ein Graffiti verkündet: „Die Ungarn sind Scheißkerle“.
Weißbrodts Donau-Bezwingung in drei Akten ist ein schönes Buch. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Es ist - Achtung Wortspiel: flüssig geschrieben, klug beobachtet und doch ein wenig eintönig, genau wie so eine wochenlange Paddelei auf einem riesigen Fluss eben. Doch auch wenn sich der täglich wiederholende Ablauf von Anlegen, Einkaufen, Café oder Kneipe suchen, Zelt aufbauen usw. den Leser hin und wieder nervt: Der Rezensent hat Lust auf Wasser bekommen und sein Faltboot startklar gemacht. Es muss ja nicht gleich bis zum Schwarzen Meer gehen, Neuseenland ist auch schön. Nur nicht so weit entfernt.

Daniel Weißbrodt: Regensburg am Schwarzen Meer: 2400 Kilometer auf der Donau. Leipzig: Engelsdorfer Verlag. 312 S., 14,80 €

2 Kommentare:

  1. Ein Buch zu rezensieren bedeutet, sich auf einen intensiven und ehrlichen Dialog auf Augenhöhe mit ihm einzulassen, Fragen an den Text zu stellen und genau zu prüfen und zu analysieren.
    Ein Rezensent sollte in der Lage sein, das Wesentliche und Besondere eines Textes zu erfassen, es kurz und knapp wiederzugeben und eine Textanalyse vorzunehmen: Was will das Buch, worum geht es und welchem Genre gehört es an? Wird eine neue Geschichte erzählt oder eine alte Geschichte neu interpretiert, wie sind Satzbau, Tempus und Erzählstruktur? Kommt wörtliche Rede vor oder Intertextualität, und welche Erzählperspektive wurde gewählt? Gibt es Illustrationen, Fotos oder Karten?
    Über all das und noch viel mehr muss sich der Rezensent klar werden, denn er soll das Buch mit all seinen individuellen Eigenheiten vorstellen. Fehler und Unstimmigkeiten soll er aufspüren und benennen, Gelungenes wie Missratenes aufzeigen, und auch ein Verriss ist manchmal nötig. Wenn ein Rezensent ein Buch nur mittelprächtig beurteilt, so ist das sein gutes Recht und wäre allein noch kein Grund zur Klage, aber wie er es tut, kann durchaus problematisch sein, denn der Rezensent verwechselt in der Besprechung seine eigenen Erwartungen mit dem Anspruch des Textes.
    Genausogut könnte er einem Kochbuch vorwerfen, dass es keine Lyrik enthält, er aber schlussfolgert daraus, dass das Buch keine »richtige Literatur [zu] bieten« hätte. »Hat man indes weniger hohe Ansprüche und lässt sich einfach von Weißbrodts detailverliebten Schilderungen treiben, setzt man sich auf den freien Sitz im Kolibri und empfindet die Schmerzen am Hintern ebenso wie diese ›richtige große Scheißangst‹ auf dem nächtlichen Strom.«
    Damit hat der Rezensent den Hintergrund korrekt wiedergegeben.
    Vor dem sich die eigentliche Handlung abspielt. Auf den 274 Textseiten werden mehr als 160 Begegnungen beschrieben, die mehr als die Hälfte der gesamten Textmenge ausmachen, und 21 Prozent des Textes bestehen aus wörtlicher Rede, so dass ein vielfältiges und ganz bewusst auch widersprüchliches Bild vom Alltag im südöstlichen Europa entsteht, was der Rezensent aber völlig verschweigt und statt dessen lieber Nebensätze zitiert.
    »Weißbrodts Donau-Bezwingung in drei Akten ist ein schönes Buch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.« Das klingt nach einem fachmännischen Urteil. Da kennt sich einer aus mit Literatur, mag man meinen, wenn man solch deutliche Worte liest, die allerdings nicht begründet werden, sondern allein Behauptung bleiben, weil der Rezensent sein Handwerkszeug nicht beherrscht und die Methoden, Fragestellungen und Möglichkeiten der Textanalyse nicht kennt, ja, nicht einmal weiß, dass es so etwas überhaupt gibt.
    Diese Rezension ist ein Luftballon, schillernd, aber hohl, und sie ist nicht mehr als die – immerhin flott geschriebene und gut lesbare – Simulation einer Kritik, die ihre Leser eher in die Irre führt, als sie aufzuklären und zu informieren. Und das ist sehr schade.

    Daniel Weißbrodt

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  2. http://www.kas.de/upload/Publikationen/2014/bruecken_bauen_in_europa/140120_schuetz.pdf

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