Samstag, 4. Mai 2013

Pol Pots Lächeln - Peter Fröberg Idling



Ich sah, was ich sah!

In Pol Pots Lächeln wird Georges Orwells „1984“ zur Realität

Da reisen im Jahr 1978 vier schwedische Linksintellektuelle durch das unter Pol Pot so genannte „Demokratische Kampuchea“, das damals völlig abgeriegelt war, und sehen überhaupt nichts vom allseits gegenwärtigen Massenmord. Wie verblendet kann man nur sein?, könnte man fragen. Oder man könnte sich auf die Spur der vier Schweden machen, sie zu ihren Erlebnissen befragen, Zeitzeugen treffen, Bibliotheken durchforsten sowie die Vorgeschichte der Reise und des Landes beleuchten. Und eben das hat Peter Fröberg Idling getan. Herausgekommen ist ein überaus kluges, akribisch recherchiertes und einfühlsames Buch voller Hintergrundinformationen zur damaligen Situation.
Hier wird nichts schöngeredet oder verharmlost. Der Autor ergründet die Sichtweise der Linken auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges und bringt die Revolution in Kambodscha in einen Zusammenhang mit der Weltgeschichte.


 
Heute sind uns die brutalen Methoden Pol Pots bekannt. Wir wissen, dass „Die Organisation“ den Platz von Familie, Monarchie und Religion einnahm, alle Städte räumte, kleine Kinder von ihren Eltern trennte und dass Folter und Hinrichtungen zum System gehörten. Aber damals standen vor dem Hintergrund flächendeckender Bombardements der USA mit unzähligen Opfern und einer anschließenden Phase von Korruption und Zerfall vor ihrer Revolution 1975 die Roten Khmer eben nicht für Völkermord und Barbarei sondern für Moderne und Freiheit.

Dennoch: Wie gelang es, die schwedische Delegation so zu täuschen, dass diese anschließend alle Schreckensmeldungen von Geflüchteten in Zweifel zog und ein überaus optimistisches Bild über die Lage im Land verbreitete?

Diese Frage zu beantworten ist das Hauptanliegen des Autors, der sich mühsam aber zielstrebig einer Erklärung annähert und anhand von konkreten Beispielen tiefsinnig analysiert, warum selbst die höchsten Führer mit Potemkinschen Dörfern getäuscht wurden, wenn sie durchs Land reisten - und was die Statisten erwartete, sollte deren Vorstellung nicht glaubwürdig sein.

So verurteilt Idling die Schweden auch nicht, vielmehr fragt er, was künftige Generationen uns einmal vorwerfen werden, wenn sie uns Zeitungsmelden von Heute vorlegen, in denen täglich von Hunger, Krieg und Ungerechtigkeiten berichtet wird: „Aber hier steht doch alles, wie könnt ihr denn sagen, dass ihr es nicht verstanden habt?“

Peter Fröberg Idling: Pol Pots Lächeln: Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer. Aus dem Schwedischen von Andrea Fredriksson-Zederbauer. Frankfurt am Main: Edition Büchergilde. 351 S., 22,95€

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